Ausstieg aus dem Extremismus –
Zur Ausstiegsarbeit von EXIT-Deutschland.
Von Ulrike Krause, Dr. Bernd Wagner.
Als sich EXIT-Deutschland im Jahr 2000 gründete, war dies die erste und einzige Organisation auf dem Gebiet der Ausstiegsarbeit in Deutschland. Vorangegangen waren in Reaktion auf den rasant anwachsenden Rechtsextremismus in den 1990er Jahren Versuche der Eindämmung durch verschiedene Ansätze, wie das „Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt“ Jugendlicher in den neuen Bundesländern (AGAG) und die Akzeptierende Jugendarbeit, die vielerorts durch eine falschverstandene Akzeptanz von rechtsradikalen Jugendlichen zum Gegenteil dessen führte, was erreicht werden sollte. Auch die danach einsetzende verstärkte Repression und Stigmatisierung war mitunter im Einzelfall erfolgreich, aber als Gesamtstrategie ebenso wenig zielführend. Daher war es nur folgerichtig, dass der Gründung von EXIT ein anderer Ansatz zugrunde lag.
Bernd Wagner war schon in der DDR als Kriminalpolizist mit Neonazis befasst, hat sie für ihre Straftaten hinter Gitter gebracht, Ideologie, Strukturen und Vorgehensweisen studiert und analysiert. Schon damals stellte er fest, dass Repression bei der Verfolgung und Ahndung von Straftaten unerlässlich ist, aber kein Mittel, um Rechtsextremisten von ihrer Ideologie abzubringen – die notwendige Voraussetzung dafür, dass diese von politisch motivierter Gewalt ablassen.
Einer der führenden Neonazis der Nachwendezeit war Ingo Hasselbach. Bernd Wagner, in dieser Zeit Leiter Staatsschutz für die neuen Bundesländer, kannte ihn schon während seiner Polizeitätigkeit als Nazianführer in der Wende-DDR. 1993 wollte Hasselbach aussteigen, kein leichtes Unterfangen. Aussteiger gelten als Verräter, die einschließlich ihrer Verwandten und Helfer verfolgt und nicht selten mit dem Tod bedroht oder gar getötet werden. Ohne Hilfe von außen ist das meist nur schwer zu bewältigen. Ob und woher Hilfe kam, war eher dem Zufall überlassen und immer mit Risiken verbunden, wenn man nicht weiß, wem man vertrauen kann. Etablierte, professionell arbeitende Strukturen gab es nicht. So entstand einige Jahre später die Idee zur Gründung von EXIT-Deutschland.
Der Text erschien in:
Krause, Ulrike, Wagner, Bernd, Ausstieg aus dem Extremismus – Zur Ausstiegsarbeit von EXIT-Deutschland, in: Theorie und Praxis der Jugendhilfe 39, Jahrgang 22, Björn Hagen (Hrsg.) Für Demokratie – gegen Rassismus und Diskriminierung. Analyse und Konzepte für die pädagogische Praxis.