Das ganze Leben ist eine Entscheidung
Folgende Einsendung erreichte uns. Wir veröffentlichen Sie an dieser Stelle unkommentiert, da es keiner weiteren Kommentierung bedarf.
Von Basti Sommer
Dieser Satz trifft ausnahmslos auf alle Menschen in allen erdenklichen Lebenslagen und Situationen zu. Stehe ich morgens auf oder schlafe ich bis Mittag durch? Esse ich Nudeln, Kartoffeln oder Reis? Soll ich die neue Arbeitsstelle annehmen oder auf ein besseres Angebot abwarten? Selbstverständlich muss man unterscheiden zwischen Entscheidungen, die einen jeden Tag völlig unbewusst begegnen und welchen die Auswirkungen auf einen bestimmten Zeitraum oder sogar das gesamte Leben haben.
Vor 8 Jahren traf ich eine solche Entscheidung und sie erwies sich als der Fehler meines Lebens, denn ich wurde Mitglied und fester Führungsstamm der rechten Szene. Ganz unspektakulär fing ich durch Musik von Sleipnir und Annett an gefallen an der Ideologie zu finden und sehnte mich nach Dingen, die ich so noch nie in meinem Leben erfahren habe. Sie sangen von Brüderlichkeit und Kameradschaft, die leider nicht im Geringsten ernst gemeint waren, von Freiheit und Selbstbestimmung und von Gerechtigkeit. Doch man war blind, naiv und hat diesen Menschen und ihrer Ideologie halt einfach vertraut ohne sie zu hinterfragen weil sie einen anfangs so gut getan hat und das Gefühl gab gebraucht zu werden und wichtig gar unersetzlich zu sein. Man fühlte sich ihnen irgendwie verpflichtet und brachte einen die Bestätigung, die eine zu der Zeit schwache Persönlichkeit einfach brauchte. So kam es dann, dass der Alltag irgendwann von Fremdenhass, Feindseligkeiten und blinden Aktivismus geprägt war und sich immer tiefer mit einer Überzeugung identifizierte, die dümmer vermutlich wohl kaum sein kann. Es war einfach ein schleichender Prozess, den ich selbst gar nicht gespürt habe. Man lernte neue Leute kennen und sah zu ihnen auf, hielt an ihnen fest und war unweigerlich auf deren Anerkennung angewiesen. Die sozialen Kontakte fingen nach und nach an zu verschwinden und man wurde verständlicherweise von der Gesellschaft geächtet, so dass die Szene das einzige war, auf das sich das Leben hätte aufbauen können.
Jeder weiß allerdings was passiert, wenn man versucht etwas auf Sand und einer Lüge aufzubauen. Irgendwann muss dieses Lügengerüst in sich zusammenfallen und es passiert das, was passieren muss, es folgt eine weitere Lebensentscheidung. Entweder man zerbricht unweigerlich daran und verliert sich völlig in diesem braunen Dunstkreis oder man fängt endlich an sein Leben zu überdenken und sich von den Ketten die auf einem gelastet haben zu befreien. Man muss sich die Frage stellen, warum man Menschen hasst, nur weil sie anders aussehen und woanders herkommen als man selbst, außerdem muss man sich fragen, wie man den Nationalsozialismus nur für gut heißen konnte, der Millionen von unschuldigen Menschen auf dem Gewissen hatte sowie einen Psychopathen verehrt, der dies alles erst errichtet hat. Warum kann man selbst nur all diese Zerstörung und den Hass haben wollen und setzt sich für ein Großdeutsches Germania ein, zu dem man nicht im entferntesten einen positiven Bezug hat und wenn man sich all diese Fragen ehrlich selbst beantwortet hat, müsste man zu dem Entschluss gekommen sein endlich ein neues Leben aufzubauen. Zumindest bin ich zu diesem Entschluss gekommen und ich danke Exit, dass es eine Anlaufstelle für mich gewesen ist.
Noch heute 2 Jahre nach meinem Ausstieg kann ich mir leider immer noch nicht ins Gesicht gucken und bis heute habe ich es nie geschafft öffentlich mit meinen Freunden über meine Vergangenheit zu reden, aber dennoch bin ich mir sicher, dass der Ausstieg die richtige Entscheidung gewesen ist und möchte jeden verzweifelten Kameraden den Rat geben sich auch kritisch mit sich selbst auseinander zu setzen, anstatt die Wahrheit zu verdrängen.
Bitte trefft eine Entscheidung für den Frieden und für die Menschlichkeit – in jedem Fall aber eine Entscheidung fürs Leben.