5. März 2015

Erklärung des Aktionskreis ehemaliger Rechtsextremisten

Wir veröffentlichen an dieser Stelle eine Erklärung des Aktionskreis ehemaliger Rechtsextremisten

Seit der Gründung des Aktionskreises ehemaliger Rechtsextremisten im Jahr 2009 engagiert er sich die ideologischen, politischen und völkisch-kulturellen Vorstellungen und Aktivitäten der verschiedenen rechtsradikalen Strömungen zurückzuweisen.
Vor allem wollen wir, dass Menschen nicht von ideologischer Gewalt betroffen werden und nicht länger ihre Menschenwürde zerstört wird, jeder Mensch in Frieden und Freiheit gleichwertig leben kann.

Früher haben wir diese Prinzipien aus einer falschen Überzeugung missachtet und verletzt. Doch wir haben damit in einem längeren Prozess gebrochen. Der Weg war in allen Fällen kompliziert und innerlich und äußerlich widersprüchlich. Nur einige wenige von Aussteigern bei EXIT-Deutschland haben es nicht geschafft. Niemand von denen, die Ausstiege aus den rechtsextremistischen Gruppen geschafft haben, ist noch von ideologischem Hass beseelt.

Uns Aussteigern aus den rechtsextremen Szenen einen viele Erfahrungen. Ausstiege sind ein längerer Prozess. Er beginnt mit dem Zweifel am rechtsextremen Sein, der sich bei uns zur Entscheidung verdichtet hat, ein neues Leben jenseits von Unfreiheit und Hass zu führen. Dieser Zweifel ist vielen Rechtsextremisten inne und braucht Anregungen und Unterstützung. Die Wenigsten schaffen einen Ausstieg ohne Hilfe. Deshalb muss eine professionelle Ausstiegsarbeit mit Kommunikation beginnen, die bereits ansetzt, wenn der- oder diejenige noch in der rechtsextremen Szene verhaftet ist. Oft sind es Diskussionen und neue Erfahrungen, die den Zweifel erfolgreich nähren. Dieser Dialog braucht ein menschenrechtliches und fachlich kompetentes Fundament.

Mit Sorge und Unverständnis betrachten wir die aktuelle Debatte in Nordrhein-Westfalen. Der exit-orientierte Ansatz der politischen Arbeit von menschenrechtlich engagierten Gruppen, Organisationen und Personen, wie er vor Ort z. B. von Claudia Luzar und der Arbeitsstelle „De-radikalisierung und Demokratieentwickung“ vertreten wird, ist dort massiven Anfeindungen ausgesetzt.

Wie lauten die Vorwürfe?

Bereits das Gespräch mit Rechtsextremisten sei zu viel Nähe und wäre zu unterlassen. Das ist absurd, denn Kritik und Ablehnung von Weltanschauung und Verhalten und das Gespräch schließen sich nicht grundsätzlich aus, wie vielfältige historische und aktuelle Erfahrungen zeigen.

Die Opfer würden vernachlässigt. Auch dieser Vorwurf ist zurückzuweisen. Ein Mosaikstein des Opferschutzes ist die Deradikalisierung der Täter und Stärkung ihrer Motivation für ein Leben ohne ideologischen Hass und Gewalt. Jeder der den Krieg gegen die Menschenwürde aufgibt, sucht keine Opfer im Namen ‚ethnischer oder politischer Mission‘.
Was sind die Hintergründe?

Jüngster Anlass der Vorwürfe ist die Präsentation einer wissenschaftlichen Studie zu radikalen Strömungen in Hamm. Darin wird auch auf militante Strukturen aus dem linksradikalen Spektrum verwiesen. Vor Ort sind ihre Vertreter mit Teilen der nicht radikalen demokratischen Zivilgesellschaft verbunden. Diese Realität ist nicht zu leugnen und gehört in eine Felduntersuchung der politisch-ideologischen Akteure hinein, wenn sie erst genommen und kein Parteigeschreibsel wie in der DDR sein soll.

In einer Analyse zur demokratischen Kultur und ihrer Ausprägung im realen Leben ist die Frage grundlegend, welche Gruppe in einer Stadt und in einer Region welches Menschenbild und welche politische Konzeption vertritt, wie wer mit Andersdenkenden umgeht und welches Verhältnis zur Gewalt als politisches Instrument in einem Rechtsstaat eingenommen wird. Besonders wichtig ist es für einen menschenrechtlich verantwortlich sein sollenden Rechtsstaat und seine politische Kultur, wer Gewalt gegen Personen und Sachen als politisches Instrument einsetzt. Das gilt auch für den Staat selbst.

Wir haben in der früheren Zeit aus ideologischen Gründen, aus den Konstruktionen unseres Glaubens und unserer Weltanschauung den Hass gegen anders Seiende und Denkende auch gegen den Staat propagiert und ausgeführt. Das haben wir mit unserem Ausstieg aus guten Gründen verworfen.

Die jetzige Kampagne in NRW lenkt von der eigentlichen Frage ab. Sie lautet: Wer hält es wie in der politischen Auseinandersetzung mit der Gewalt als illegales Instrument der Politik? Dabei geht es nicht nur um den ‚Rechtsextremismus‘, dessen Ideologien eindeutig menschenfeindlich sind, sondern auch um die Substanz der Demokratie als Form menschlicher Kultur der Freiheit.
Wir Aussteiger des AKTIONSKREISES haben diese Frage für uns beantwortet. Das ist uns nicht leicht gefallen. Wir stehen zu unserer Verantwortung.

Erinnert sei an unseren Aufruf zur offiziellen Anerkennung aller Opfer durch rechtsextreme Gewalt vom 27.2.2012. Link

Berlin, den 3.3.2015
Für die Sprechergruppe: T. Privenau

AKTIONSKREIS – Erklärung zur Situation in NRW.pdf