Fassungslose Eltern
H1. Wenn Kinder Neonazis werden, braucht ihr Umfeld Hilfe
Von Simone Rafael
Stellen Sie sich vor, Ihr Sohn oder Ihre Tochter wäre ein Neonazi. Geht nicht? Nicht Ihr Kind? Das haben viele Eltern gedacht. Eine Reportage.
Die ganze Zeit hat die Frau im grauen Pulli mit der Pferdeschwanz-Frisur ruhig am Tisch gesessen, die Diskussion aufmerksam verfolgt, und auch sehr ruhig, oder besser: beherrscht, von der Geschichte ihres Sohnes erzählt. Doch dann bricht es aus ihr heraus: „Können Sie sich vorstellen, wie das ist, wenn wieder einmal das Telefon klingelt und das Krankenhaus dran ist? Und dann fährt man wieder hin, und da liegt er auf der Bahre, in voller Montur mit Bomberjacke und Springerstiefeln, sturzbetrunken, lädiert nach der letzten Schlägerei – eine Katastrophe!“ Sie schweigt. Sie schaut runter, auf den Tisch. Und murmelt: „Aber es ist doch mein Sohn.“
Hardy Krüger schaut die Mutter aus der Pfalz betroffen und mitfühlend an. Der deutsche Hollywoodstar ist nach Berlin gereist, um sich mit Eltern zu treffen, die von der EXIT-Elterninitative betreut werden. Die Initiative für die Eltern und das Umfeld rechtsextremer Jugendlicher gibt es seit einem Jahr. Sie ist aus dem Aussteiger-Projekt EXIT entstanden, als die EXIT-Betreuer immer öfter Anfragen erreichten: Wie sollen wir unserem Kind jetzt begegnen? Und wie rechtsextrem ist es eigentlich?